Die Debatte um Alkohol und Herzgesundheit erhält neue Nahrung: Ernährungswissenschaftler präsentiert überraschende Ergebnisse aus aktuellen Studien zum Thema Rotwein.
Zahlreiche Studien haben immer wieder bestätigt, dass moderater Rotweinkonsum mit einem niedrigeren Risiko für Herzkrankheiten zusammenhängt. Oder anders: Sowohl Abstinenzler als auch Vieltrinker haben eine schlechtere Herzgesundheit als moderate Rotweintrinker. Woran das liegt, das weiß allerdings niemand.
Was hat die neue Studie zum Thema ergeben?
Die neue Studie, veröffentlicht im European Heart Journal , hat die bisherigen Forschungen eindrucksvoll bestätigt; Die spanischen Wissenschaftler konnten zeugen, dass niedriger bis moderater Rotweinkonsum mit einem niedrigeren Risiko für Herzkrankheiten zusammenhängt.
Konkret: Der Genuss von etwa 3 bis 12 bzw. 12 bis 35 Gläsern Wein pro Monat war mit einem deutlich geringeren Risiko (um 38 Prozent bis 50 Prozent reduziert) für kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden – im Vergleich zu Personen, die nur sehr wenig oder gar keinen Wein tranken.
Was war das Besondere an dieser Studie?
Moderater Weinkonsum wird mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) bei älteren Menschen in Verbindung gebracht. Informationen zum Weinkonsum durch Selbstauskünfte sind jedoch anfällig für Messfehler, die subjektiven Einschätzungen innewohnen.
Das Besondere an dieser Studie war, den Zusammenhang zwischen Weinsäure im Urin, einem objektiven Biomarker für Weinkonsum, und der Häufigkeit kombinierter klinischer CVD-Ereignisse zu untersuchen.
„Durch diese Messung der Weinsäure im Urin konnten wir – in Kombination mit den Ernährungsangaben der Probanden – den Weinkonsum sehr viel genauer ermitteln. Wir haben einen deutlich stärkeren schützenden Effekt von Wein gefunden als vorher in anderen Studien beobachtet. Eine Reduktion um 50 Prozent ist viel höher als sie mit einigen Medikamenten wie Statinen erreicht werden kann“, resümiert einer der Studienautoren.
In einem begleitenden Editorial ergänzt ein Forscherkollege „Die Beziehung zwischen Alkoholkonsum, speziell Wein, und kardiovaskulären Erkrankungen ist noch immer ein häufig diskutiertes Thema – und das trotz jahrzehntelanger Forschung. Die aktuelle Publikation wirft frisches Licht auf diese komplexe Beziehung, indem die Kollegen einen objektiven Biomarker – Weinsäure im Urin – verwendet haben, um den Weinkonsum zu messen. So liefert die Arbeit überzeugende Evidenz für die Korrelation von moderatem Rotweinkonsum mit niedrigeren kardiovaskulären Erkrankungsrisiko.“
Kann man jetzt endlich sagen: „Rotwein schützt das Herz“?
Das wäre schön und würde alle Rotweintrinker freuen. Aber so einfach ist es nicht. Denn wir haben es hier mit einer „Beobachtungsstudie Plus“ (+ Biomarker im Urin) zu tun – und diese Art der Forschung liefert ausschließlich Korrelationen, also statistische Zusammenhänge, aber keine Kausalevidenz. Das heißt, es fehlen weiterhin Belege für eine Ursache-Wirkungs-Beziehung.
Klar ist aber auch: Es gibt keinen Anlass, von einer herzschädigenden Wirkung auszugehen, denn: Sowohl die alten als auch die neuen Daten lassen keine Hypothese zu, dass moderater Rotweingenuss schlecht für das Herz wäre – ganz im Gegenteil. Moderater Rotweinkonsum ist stets mit einem niedrigeren Risiko für Herzkrankheiten verbunden.
Sind 0-Promille-Forderungen demnach nicht wissenschaftlich fundiert?
Korrekt, insgesamt betrachtet gibt es keinen einzigen Beweis dafür, dass geringer bis moderater Alkoholkonsum der Gesundheit schadet. Wer den völligen Verzicht auf Alkohol propagiert, der hat entweder moralische Abstinenzlergründe oder interpretiert die wissenschaftlichen Daten falsch – bewusst oder unbewusst, das sei mal freigeistig dahingestellt.
Das gilt im Übrigen auch für das neue „Positionspapier“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), in dem die „Wächter gesunder Ernährung“ den Bürgern nun sogar Angst vor einem abendlichen Glas Bier oder Wein machen. Das ist völlig überzogen und entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Wie viel Rotwein bzw. Alkohol sollte man trinken?
Hier gilt die Devise: Seien Sie ehrlich zu sich selbst, wenn Sie Alkohol trinken. Fragen Sie sich nach den Gründen: Einfach, weil es Spaß macht und guttut? Und fühlen Sie sich am nächsten Tag gut? Oder: Wollen Sie sich betäuben? Spüren Sie Entzugserscheinungen?
Alkohol ist eine psychotrope Substanz, also eine Droge, die gefährlich werden kann – aber nicht muss. Genießen Sie al gusto mit der nötigen Selbstreflektion und Achtsamkeit, sodass Sie sich beim Bier- Sekt- und Weingenuss wohlfühlen und stets währenddessen und besonders danach noch erhobenen Hauptes in den Spiegel schauen können.
Quelle: Focus.de
Symbolbild: Pixabay