Ungewöhnlicher filmischer Beitrag zu einem aktuellen Thema: am 17. Februar fand im Rahmen der Berlinale die Premiere von „Profile“ statt. Der russisch-kasachische Regisseur Timur Bekmambetov (bekannt u.a. durch „Nochnoi Dosor“, „Dnevnoi Dozor“ und „Abraham Lincoln Vampirjäger“) erzählte über sein neues Filmformat und das Leben im digitalen Zeitalter.
Timur Bekmambetov präsentierte Journalisten seinen Film, dessen Format er selber als „screen life“ bezeichnet: die Handlung spielt ausschließlich auf dem Computerbildschirm der Hauptdarstellerin. „Profile“ beruht auf der wahren Geschichte der französischen Journalistin Anna Erelle – im Film verkörpert durch die Figur Amy. Um herauszufinden, wie der Islamische Staat junge Mädchen aus Europa rekrutiert, führt sie eine investigative Online-Recherche durch. Dafür erstellt sie ein Fakeprofil auf Facebook unter dem Namen Melody und erwähnt darin, sie sei kürzlich zum Islam konvertiert.
Liebesgrüße aus Syrien
Genau wie in der zugrunde liegenden Story, lässt auch im Film die Nachricht eines Recruiters aus Syrien nicht lange auf sich warten. Der Dschihadist Abu Bilel, ein muskulöser und gepflegter Mann mit einem sehr guten Englisch, lädt die angeblich 20-Jährige aus London sehr bald zu einem Skype-Gespräch ein. Dort teilt er mit „Melody“ Details seines Lebens, zeigt ihr Aufnahmen von sich in verschiedenen Alltagssituationen und schickt ihr reichlich Komplimente, Smilies und witzige Katzen-GIFs. Amy legt sich für die Gespräche ein Kopftuch an und kommuniziert mit Bilel unter Anweisungen und Tipps eines Kollegen aus der Zeitung, der Halbsyrer ist. Dabei zeichnet sie alle Gespräche auf.
Schließlich erklärt Abu Bilel „Melody“ seine Liebe, lädt sie nach Syrien ein und verspricht, sie „wie eine Königin zu behandeln“. In dem Moment als die Journalistin Amy bereit ist, ihrer Chefredakteurin den letzten Videonachweis eines Skype-Chats zu schicken und die Veröffentlichung des Materials zu bestätigen, nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung.
Ein gelungenes Experiment
Die Schauspieler haben ihre Rollen gründlich vorbereitet. Valene Kane hat mehrmals das Buch von Erelle gelesen, um zu verstehen, welche Frauentypen sich in Dschihadisten verlieben. „Das ist der kreativste Film, an dem ich je gearbeitet habe. Wir haben viel zusammen gearbeitet und versucht, alles glaubwürdig vorzuführen. Manchmal saß ich acht Stunden pro Tag am Stück in einem Raum ohne Beleuchtung, genauso wie Amy. In solchen Momenten versteht man sehr gut, was die Person fühlte“, teilte die Schauspielerin ihre Erfahrung mit.
Die Dreharbeiten waren nicht einfach. Für Szenen, die nur ein paar Minuten dauerten, wurden tausende Seiten Dialoge geschrieben. „Es war ein Experimentalfilm. Wir wussten nicht, wie man ein Drehbuch dazu schreibt, wie man den dreht, welche Musik man verwendet. Aber am Ende haben wir eine Menge positives Feedback erhalten“, sagte Timur Bekmambetov. Er hat vor, auch weiterhin in diesem Gerne zu arbeiten – die gewöhnlichen Filme seien ihm langsam „etwas langweilig und teuer“.
Keine Politiksache
Auch merkte er an, dass der politische Kontext ihn nicht interessiert: „Es ist ein Film über uns Menschen, über die Geschichte der menschlichen Beziehungen. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen Mentalitäten und Kulturen“. Im Internet seien wir alle anfällig, glaubt Bekmambetov, denn oft klicken wir auf verschiedene Links, ohne uns über mögliche Konsequenzen Gedanken zu machen. „Es ist auch eine Geschichte darüber, dass man in der heutigen Welt keine Informationen kontrollieren kann, und über die Angst, in dieser Hinsicht schutzlos zu sein“, fügte der Regisseur hinzu.
Maria Knyazeva
Foto: Maria Knyazeva