Soll der Wolf abgeschossen werden dürfen? „Wolfsgipfel“ in Berlin

Wolf

Tierzüchter und auch einige Politiker fordern, dass Wölfe einfacher geschossen werden dürfen. In Berlin findet dazu ein „Wolfsgipfel“ statt. Doch würde das wirklich das Problem lösen? Und wie können Herden anders geschützt werden?

Grundsätzlich gilt der Wolf durch die Berner Konvention als besonders geschützte Art. Daher ist es nach Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes verboten, Wölfe zu fangen, zu töten oder zu verletzen. In Ausnahmefällen wird jedoch durch die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde eine Abschussgenehmigung erteilt – etwa, wenn vom Wolf eine Gefahr für Menschen ausgeht. Der Schutzstatus des Wolfs ist also sehr hoch.

Warum fordern Politiker den einfacheren Abschuss?

Bundesländer, wie zuletzt Bayern, versuchen den strengen Schutzstatus des Wolfs nun per Verordnung zu umgehen. Der Abschuss des Wolf soll einfacher werden. „Der Wolf gehört hier nicht her“, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder kürzlich bei einem Besuch im Landkreis Rosenheim. Dort hatte vermutlich ein Wolf mehrere Schafe gerissen.

Passend dazu präsentierte Söder beim Besuch im oberbayerischen Rosenheim seine neue Verordnung, die sich so zusammenfassen lässt: „Ein Riss reicht.“ Konkret heißt das: Tötet ein Wolf ein Weidetier, darf er auch geschossen werden. Und zwar nicht nur der eine Wolf, sondern auch andere. Denn ein langwieriges DNA-Gutachten sei nicht nötig. „Jetzt kann man die Wölfe dann generell in der Region entnehmen und muss nicht ein endloses ‚Aktenzeichen XY…‘ nach dem einen Wolf machen“, sagte Söder.

Bauernverbände applaudieren, Tierschützer schäumen, Naturschutzverbände sehen die bayerische Verordnung auf juristisch dünnem Eis und werden wohl klagen. So oder so: In Bayern steht der Wahlkampf ins Haus und das Thema „Wolf“ scheint ein gefundenes Fressen zu sein.

Lösen einfachere Abschussregeln die Konflikte?

Der Wolfsforscher Kurt Kotrschal von der Uni Wien bezweifelt, dass der einfachere Abschuss irgendetwas bringt. Wolfspopulationen nehmen in Europa eher zu, Jungwölfe würden weiterhin einwandern, so Kotrschal. „Für jeden abgeschossenen Wolf kommen zwei neue nach,“ so der Experte.

Beispiel: In Frankreich schieße man zehn Prozent der Wolfspopulation, etwa 100 Tiere im Jahr ab, erklärt der Wolfsforscher. Das sei mit der EU vereinbart worden. Aber auch dieses Beispiel zeige: „Einfach in Wolfspopulationen reinzuschießen, vermindert die Schäden an den Weidetieren nicht.“

Passiert sei nämlich folgendes: „Die Zahl der gerissenen Weidetiere ging nicht zurück.“ Kotrschal führt dafür mehrere Gründe an: Wird abgeschossen, würden Weidetierhalter den Schutz ihrer Herden vernachlässigen. Aber auch, weil man so beschossene Populationen in ihrem Sozialverhalten störe, und „sie dann eher dazu neigen, Weidetiere zu nehmen,“ erklärt der Biologe.

Was bringt der Herdenschutz?

Herdenschutz bedeutet: entsprechend hohe Zäune, die mindestens 4000 Volt Stromspannung aufweisen. In vielen Bundesländern wie in Bayern werden sie mit bis zu 100 Prozent vom Staat gefördert. Allerdings nur in bestimmten Förderkulissen, etwa dort, wo es bereits standorttreue Wölfe gibt. Naturschutzvertreter und Wissenschaftler räumen aber auch ein: Im alpinen Gelände ist der Herdenschutz sehr viel aufwändiger als in der Ebene. Hohe Zäune sind an steilen Hängen kaum möglich.

Und dann sind da noch die imposanten Herdenschutzhunde. Damit haben viele Weidehalter gute Erfahrungen. Allerdings eher in der Fläche, in dünn besiedelten Gebieten. Im touristisch erschlossen Alpenraum wird es damit schwieriger. Der Bayerische Bauernverband (BBV) hält den Einsatz von Hirten und Herdenschutzhunden für nicht umsetzbar. Herdenschutzhunde verteidigten alle Eindringlinge in einer Herde. „Wollen wir das in Tourismusgebieten?“, fragt Stefan Köhler vom BBV. „Außerdem bestehen keine Qualitätsstandards für die Hunde.“

Sind Wölfe immer eine Gefahr für Weidetiere?

Die Anwesenheit von Wölfen kann sich aber insgesamt sogar positiv auswirken, sagt Kotrschal. Das sehe man zum Beispiel in den Teilen Deutschlands, wo es schon länger Wölfe gibt. Wölfe vermehren sich in ganz Europa und breiten sich dementsprechend aus. „Aber im Osten Deutschlands steigt die Wolfsdichte nicht weiter an, weil Wölfe eine dichteabhängige Regulation haben. Das heißt, Wolfsrudel halten ihren Bereich sauber von zuwandernden Wölfen und halten einander auf Distanz.“ Das sei ein Mechanismus, der gut funktioniere.

Lasse man allerdings nicht zu, dass sich Rudel, also Familienverbände bilden, „dann hat man eigentlich laufend Schwierigkeiten“, so Kotrschal. Denn aus den Wolfspopulationen etwa in Frankreich mit 1000 Wölfen, oder aus Italien mit 3000, wanderten ständig Jungtiere zu. „Das sind vor allem jene Wölfe, die sich an Weidetieren vergreifen, wenn es leicht geht.“


Quelle: tagesschau.de