Während des WGT fühlen sich die Besucher*innen so „normal“ wie möglich. Bitte sprechen Sie niemals von Verkleidungen – es handelt sich um Identität. Schon die Bezeichnung: „Gruftis“ wird unter Gothics abwertend und diskriminierend gesehen.
1. Beim WGT gibt es keine Verkleidungen
Eine Möglichkeit, sich beim WGT blitzschnell als Outsider zu outen, ist folgender Satz: „Das ist aber ein schickes Kostüm!“ Nein! Das sind keine Verkleidungen! Das ist gefühlte Identität, die sich in der Kleidung zeigt. Der Grund, warum Goths ihr Outfit außerhalb des WGTs eher abgemildert tragen, sind Sätze wie dieser, die das offensichtliche Unverständnis der Umgebung zeigen. Und die können ungemein nerven. In Leipzig wollen sich alle Batcaverinnen und Cyberpunks endlich einmal „normal“ fühlen.
2. Goths rennen in Leipzig nicht
Haben Sie schon einmal einen Goth rennen sehen? Das ist sehr unwahrscheinlich, denn man pflegt in der Szene eine abgemessene, bewusste Gangart. Man schreitet, stolziert, stiefelt, flaniert und schwebt bisweilen. Das Maximale ist ein schnelles Gehen. Aber niemals bewegt man sich so rasant, dass es unter den Verdacht einer sportlichen Aktivität fallen könnte. Man lässt sich Zeit, schließlich kann man ja auch die nächste Bahn nehmen.
3. Nicht ohne Bändchen aufs WGT
Das Wave-Gotik-Treffen ist DAS wichtigste Zusammenkommen der Szene weltweit. Darum trägt es im Namen auch das Wort „Treffen“. Hier dreht sich alles um das Gemeinschaftsgefühl, den Austausch von Gedanken, das Genießen von Musik und das gemeinsame Feiern. Und das geht nur, wenn man mittendrin ist und nicht nur vom Rand aus zuschaut. Daher ist ein WGT-Besuch ohne Eintrittsbändchen selbstredend keine wirkliche Teilnahme am Treffen, sondern der augenscheinliche Beweis des Trittbrettfahrens oder des Voyeurismus.
4. Mehr als nur schwarze Kleidung
Dass Schwarz die Standardfarbe der Szene ist, ist allgemein bekannt. Mittlerweile haben sich auch Farbtupfer in die Monochromität eingeschlichen, seien es neonfarbene Kleidungsaccessoires oder alle nur denkbaren Haarfarben. Aber wissen Sie, wie Sie so richtig beim WGT auffallen – und zwar negativ? Indem Sie beim EBM-Konzert im Hawaiihemd vor der Bühne stehen. Oder in Fußballmontur am Viktorianischen Picknick teilnehmen wollen. Tun Sie das niemals. In Ihrem eigenen Interesse!
5. Keine Aggressionen zum WGT in Leipzig
Die Goths sind die wohl friedfertigste Szene. Prügeleien beim WGT? Gibt es nicht! Waver, die aus Rivalität auf Cyberpunks losgehen. Auch hier: Fehlanzeige! Die Gewaltlosigkeit ist einer der Hauptgesetze des ungeschriebenen Gothic-Kanons. Den Glaubwürdigkeitsbeweis lieferte die Szene im Jahr 2000, als das Festival mitten im Verlauf pleite ging. Keine Künstler konnten mehr bezahlt werden, die Zutrittsbändchen waren wertlos. Wo man hier nun krätigen Protest und Frustration hätte erwarten können, reagierten die Goths anders: Sie organisierten einfach selbst ein Ersatzkonzert, bei dem die Bands sogar Schlange standen, um kostenlos spielen zu können. So wurde das eigentliche Pleitetreffen letztlich doch zu einer schönen Erinnerung für diejenigen, die diese kreativ-friedliebende Erfahrung machen konnten.
6. Auf dem Wave-Gotik-Treffen niemals protzen
Goths schätzen das Leben in seiner existentiellen Tiefe – gerade angesichts unserer Sterblichkeit. Die Szene verweist durch ihr Verhalten und das Äußere auf das Innere. Anerkennung erhält man durch konsensfähige oder stilprägende Ideen kreativer Art, seien es Outfits, Kunstwerke, Gedanken oder Musikstücke. Nicht jedoch durch schnödes Protzen. Mit dem Ferrari zum WGT? – Nicht einmal, wenn er schwarz ist! Teure Markenkleidung noch teurerer Modelabel? – Unnötig bis peinlich.
7. Niemals ungefragt fotografieren
Wer mag es schon, wie ein kurioses Objekt ungefragt von allen Seiten fotografiert zu werden? Den Dunkelbeseelten geht es nicht anders. Viele sind es leid, sich wie in einem Zoo zu fühlen. Dabei ist es ganz einfach: Fragen Sie freundlich nach, ob die schwarzbarocke Schönheit oder der retrofuturistische Steampunk wirklich abgelichtet werden wollen. Ein nettes Lächeln wirkt oft Wunder.
Quelle: mdr.de