500 Gäste und mehr als 60 Journalisten begingen im cCe Kulturhaus den 100. Geburtstag des Chemiestandorts Leuna (Sachsen-Anhalt)
Am Donnerstag, dem 3. März 2016, fand im cCe Kulturhaus Leuna eine Feier der InfraLeuna GmbH zum 100-jährigen Jubiläum des Chemiestandorts Leuna statt. Zu den Anwesenden des Festaktes zählten die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff sowie der Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH Dr. Christof Günther. In ihrer 15-minütigen Rede sagte die Bundeskanzlerin, der sachsen-anhaltische Standort spiegele die Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte wider, von der Herstellung von Ammoniak zur Sprengstoffproduktion, über den Einsatz von tausenden Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg bis hin zur Wende1989, als der technologisch und ökologisch abgewirtschaftete Industriestandort in einem „riesigen Kraftakt“ eine neue Chance erhielt. Heute sind hier wieder 9000 Menschen beschäftigt. Ende 1989 gab es 28 000 Arbeitsplätze im Leuna Werk „Walter Ulbricht“. Die Beschäftigten, ergänzte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, hätten die Folgen der „Misswirtschaft der DDR tragen müssen“. Es sei auch ein Tag des Dankes an Helmut Kohl, der sich vehement für den Erhalt der Ost-Chemie eingesetzt hat.
Der Chemiestandort Leuna arbeitete zu Zeiten der DDR sehr eng mit der Wirtschaft der UdSSR zusammen. Über die Erdölleitung „Freundschaft“ wurde dem Chemiestandort der wichtige Rohstoff zugeführt. Auch heute ist Russland ein wichtiger strategischer Partner. Durch die Druschba-Pipeline erhält Leuna auch heute Erdöl aus Russland für die wichtigste Benzinproduktion. Die Destillationsanlage der Leuna Raffinerie verarbeitet am Tag durchschnittlich 30.000 Tonnen Rohöl, das über diese Pipelines fließt. Damit deckt sie weitgehend den Bedarf Sachsen-Anhalts, Sachsens und Thüringens. Etwa 1.300 Tankstellen im Einzugsbereich der Raffinerie beziehen ihren Kraftstoff aus Leuna.
Durch den erfolgreichen Strukturwandel des früheren Leuna Kombinates entstand der größte zusammenhängende integrierte Chemiestandort Deutschlands. Insgesamt wurden seit 1990 über 6 Milliarden Euro investiert und mehr als 100 Unternehmen aus 10 Nationen arbeiten insbesondere im Verbund von Stoffströmen und Energie so eng zusammen, als handele es sich immer noch um ein einziges Unternehmen. Gerade vor dem Hintergrund der 100-jährigen Geschichte mutet dies fast wie ein Wunder an.
Im Anschluss an den Festakt stattete die Bundeskanzlerin dem Analytik Labor einen Besuch ab und nahm außerdem die neue hochmoderne Zentralwarte für die Energie-und Wasserversorgung in Betrieb.
Auf der gleichzeitig stattfindenden Pressekonferenz nutzte unserer Redakteur Mikhail Vachtchenko (M. V.) (Zeitschriften MOCT und Berliner Telegraph) die Möglichkeit, Fragen zur Kooperation mit Osteuropa und speziell Russland, sowie der Ansässigkeit russischer Unternehmen am Chemiestandort Leuna zu stellen. Dazu äußerten sich Dr. Christof Günther (C. G.) und Dr. Reiner Haseloff (R. H.) wie folgt.
- C.G.: „[…] seit Jahrzehnten mit höchster Zuverlässigkeit. Jederzeit, egal was wir hier für politische Systeme hatten, egal was auf der langen Wegstrecke von der Quelle bis hier zum Verbraucher passiert ist, wir sind hier jederzeit zuverlässig versorgt worden. Das ist entscheidend.
Wenn Sie nach russischen Unternehmen fragen und aus Russland kommen, dann wäre meine Bitte: Tragen Sie doch weiter in Russland, dass das hier ein hervorragender Investitionsstandort ist. Denn wir würden uns riesig freuen, hier ein russisches Unternehmen begrüßen zu können. Sie sind also maßgeblich auf der Rohstoffseite hier präsent mit den Produkten aus Russland, in der Verarbeitung sind das 10 andere Nationen, bei denen Russland noch fehlt. Also da wären wir überglücklich darüber. Wir haben auch immer wieder Besuch aus Russland -, und arbeiten ja dann auch auf der Verkaufsseite mit den Produkten, die hier erzeugt werden, mit Russland zusammen. Aber es gibt noch niemanden und kein Unternehmen aus Russland, das hier produziert.“
- R.H.: „Ich möchte gern noch ergänzen: Ich habe vor wenigen Jahren ein Joint-Venture von Gazprom und VNG hier in Sachsen-Anhalt mit begründen helfen können und wir haben einen großen Erdgasspeicher hier gebaut, der auch schon in Funktion ist, und der auch gerade unter anderem Piesteritz, Leuna, die Chemiestandorte sicher mit Gas versorgt und als eigenständiges Unternehmen hier in Sachsen-Anhalt auch eingetragen ist als Joint-Venture. Und ich könnte mir, wie gesagt, vorstellen, dass das auch fortgesetzt werden kann. Ich war bei dem russischen Botschafter vor drei Wochen mit dem IHK-Präsidenten und habe mit ihm mehrere Maßnahmen besprochen. Unter anderem habe ich auch mit Horst Seehofer, das habe ich gestern nochmal aktualisiert gestern in Halle, besprochen: Bayern hat ja ein großes Wirtschaftsbüro in Moskau, in das wir uns, weil wir ein kleines Land sind, versuchen dort mit einer eigenen Dependance[i] einzubringen, so dass wir diese Struktur nutzen, um als Sachsen-Anhalt präsent zu sein, was bilaterale Beziehungen und auch Akquisition beinhaltet.“
- M.V.: „Ja, ich weiß, in Bernburg findet wieder ein Treffen statt. Zu diesem kommen auch wieder Delegationen aus Russland.“
- R.H.: „Richtig. […] Also, wir sind da, denke ich mal, auf dem Weg, und wir wünschen uns, das kann ich ihnen auch ganz klar sagen, dass sich die Situation auch bezüglich EU und Russland und Embargo so schnell wie möglich entspannt. Und da kann ich nur sagen, Minsk ist die Grundlage, und wenn wir da ein Stück weiterkommen, von allen Seiten […] Minsk erfüllt wird, dann ist das umso schneller und umso leichter möglich. Zumal unsere Unternehmen haben sehr viele Geschäftsbeziehungen dorthin. Wir haben ein großes Interesse – es hängen viele Arbeitsplätze daran -, dass sich die Situation wieder normalisiert.“
Im Anschluss an die Pressekonferenz fand ein kurzes und freundliches Gespräch zwischen Herrn Vachtchenko und Herrn Haseloff statt. Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident sagte, dass ihm die Beziehungen zu Russland wichtig seien. So habe er auf einer Veranstaltung von Gazprom eine Rede auf Russisch gehalten. Im Gespräch versuchte er, unserem Redakteur dieses auch zu demonstrieren: „Меня зовут Райнер Хасельоф. Я 1954 года.“ („Ich heiße Dr. Reiner Haseloff. Ich bin 1954 geboren.“) Als Danksagung und Geschenk überreichte unser Redakteur seinem Gesprächspartner die aktuellen Ausgaben der Zeitschriften „MOST“ und „Berliner Telegraph“.
[i] Zweigstelle
Reportage Mikhail Vachtchenko
Foto MVMEDIA Leipzig © Mikhail Vachtchenko