Russischsprachige Wähler treffen Politiker

„Teilnehmen und die Zukunft beeinflussen!“ – unter diesem Motto veranstaltete der Bundesverband russischsprachiger Eltern (BVRE e.V.) am Mittwoch, dem 20. September, eine Diskussion zu der bevorstehenden Bundestagswahl.

An diesem Abend trafen sich vier russischsprachige Politiker aus verschiedenen deutschen Städten sowie zwei deutsche Kandidaten aus Leipzig in den Räumlichkeiten der Leipziger Volkshochschule. Darunter waren die Parteien FDP, Die Grünen, AfD und BüSo vertreten. Das Ziel war es, den russischsprachigen Migranten eine Gelegenheit zu geben, unmittelbar mit Experten – Wissenschaftlern und Journalisten – und Politikern ins Gespräch zu kommen und über die Zukunft Deutschlands, aktuelle Probleme und Erwartungen anlässlich der Bundestagswahl zu debattieren sowie offene Fragen zu klären.

„Heutzutage erodieren die klassischen Grenzen der Parteiideologien. Die CDU übernimmt die Ideen der FDP usw.“, sagt Deniss Hanovs, Professor der Fakultät für Kommunikation der Universität Lettlands. Auch besteht ein Trend der unterhaltenden Politik („politainment“), wobei politische Akteure auf Instrumente der Unterhaltungskultur zurückgreifen, um ihre Ziele zu verwirklichen, so die anderen Experten.

Bei der Diskussion wurden diverse brennende Themen angeschnitten. Die Zukunft der Russlanddeutschen, Asylrecht, Russlandsanktionen, Frauenquoten und das Verhältnis zu alleinerziehenden Müttern wurden aus der Sicht dreier Parteien besprochen. In den Fragen der Flüchtlinge waren sich alle Politiker einig, wenn auch die Methoden sich unterscheiden mögen: Es sollen keine Wirtschaftsflüchtlinge nach Europa kommen und die restlichen Geflüchteten soll man sofort in das Arbeits- und Gesellschaftsleben miteinbeziehen. Weiter rief die AfD dazu auf, die Jugend vor ungewollten Schwangerschaften zu warnen („Schutz des ungeborenen Lebens“), Ehe und Familien zu unterstützen. Bei der Frage der Förderung Alleinerziehender kam es jedoch zu grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten. Die anderen zwei Parteien sprachen sich für bedingungslose Hilfe für Alleinerziehende aus; die AfD hingegen sieht in dieser Familienform keine förderungswürdige Konstellation.

Anschließend stellten die Kandidaten die Programme ihrer Parteien in Kurzform vor. So will die FDP kleine und mittelständische Unternehmen fördern, die Bürokratie verringern und den Privatkauf von Immobilien unterstützen. Dabei sollen Steuern erst ab einem Kaufpreis von 500.000 € erhoben werden. Die AfD-Vertreter, der Direktkandidat Christoph Neumann aus Leipzig und der Beisitzer der AfD Brandenburg, Arthur Wagner, plädierten für ein starkes Land, in welchem traditionelle und familiäre Werte und die deutsche Kultur gepflegt werden. Im Weiteren erläuterte Michael Jonkov (Bündnis 90/Die Grünen), dass seine Partei die dreckigsten Kohlekraftwerke abschalten will und dafür sorgen möchte, dass eine kulturelle Integration von Muslimen durch die Schulung von Imamen in Deutschland stattfindet.

Doch etwas fehlte bei dieser sehr lebhaften, zumeist konstruktiven Diskussion. Trotz mehrfacher Nachfragen seitens russischsprachiger Medien und Vereine in Deutschland kamen keine Vertreter der im Bundestag am stärksten repräsentierten Parteien zu den vom BVRE vorgeschlagenen Terminen. Dies sprach Mikhail Vachtchenko, Chefredakteur der Zeitschrift „MOST“, an. „In der letzten Zeit werden wir, russischsprachige Medien und Vereine, häufig beschuldigt, für die AfD zu agitieren. Tatsache ist aber, dass die AfD-Vertreter die Einladungen immer wahrnehmen, auf all unseren Veranstaltungen in Mehrheit anwesend sind und mit Wählern kommunizieren wollen. Es ist sehr schade, dass die Vertreter der großen Parteien uns nicht über ihr Programm aufklären können, wobei es doch so viele Unentschlossene unter den Wählern gibt. Wahrscheinlich sind ihnen unsere Stimmen gar nicht so wichtig“.

Morgen zur Wahl zu kommen und eine Stimme abzugeben ist nicht nur unser gutes Recht, sondern auch unsere Pflicht. Dazu passt hervorragend ein Zitat von Victoria Beyzer (FDP) aus der stattgefundenen Diskussion: „Unsere Vorfahren kämpften für unser Wahlrecht und es ist ein Verbrechen, darauf zu verzichten“.

Maria Knyazeva
Foto: Mikhail Vachtchenko

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